Mein Selbstverständnis
«Die Geste des Schreibens hat etwas GRUND-LEGENDES: Schreibend erarbeiten wir uns ein Stück Festland und entdecken so neue Wege des Denkens.»
Vielfältige Sichtweisen und Gedanken haben zu meinem heutigen Verständnis von Sprache und der Geste des Schreibens beigetragen. Dazu gehören Wittgensteins Aussage «Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.» so – wie Heideggers Satz «Sprache ist das Haus des Seins.» Und manch ein vertieftes Eintauchen in verschiedene Bereiche hat meine Art des Coachings und des Leitens von Seminaren geprägt und geformt.
Ein wichtiger Moment war die Begegnung mit Natalie Goldbergs Buch «Writing Down The Bones» (dt. Titel: Schreiben in Cafés). Damals noch Studentin an der Journalistenschule St.Gallen und regelmässige Teilnehmerin an Schreibwerkstätten war dieses Buch ein erster Wegweiser in die Richtung, die für mich beruflich wesentlich werden würde. Goldbergs Sichtweise sowie die freundlichen Anregungen meines damaligen Lehrers für deutsche Literatur, Prof. Dominik Jost, trugen letztlich dazu bei, dass ich 1993 eine eigene Schreibwerkstatt an der Volkshochschule Romanshorn anbot. Der erste Schritt war gemacht.
In den vielen Schreibwerkstätten, die dieser ersten folgten, beobachtete ich, was die Geste des Schreibens, das Eintauchen in die Sprache, das Vorlesen – was dies alles mit den Menschen machte: Ihr schöpferisches Potenzial begann sich auf vielfältige Weise zu zeigen, sie fanden ihren eigenen Ausdruck, ihren individuellen Schreibton – und fühlten sich gestärkt … Ich staunte und freute mich.
Das Staunen verwandelte sich in Fragen: «Was ist Sprache? Was kann sie?» Diese Fragen führten mich ans Fritz-Perls-Institut ins Feld der Poesie- und Bibliotherapie. Ein nächster Schritt war getan. Doch der Hunger war nicht gestillt. Das Feld schien mir zu eng gefasst … Es öffnete sich mit Viktor E. Frankls logotherapeutischem Ansatz: Das Geistige im Menschen ist immer da, heil und ganz. Es ist die Quelle, aus der heraus er sich entfaltet, aus der heraus er gesundet. – Die Weiterbildung in Salzburg prägte in vielen Facetten mein Schreibcoaching. Die Erkenntnis, dass das Wort «Logos» für «Geist» und «Sinn» wie auch für «Sprache» steht, führte mich im Zusammenhang mit meinen Angeboten zu neuen Fragen: «Wozu bin ich da? Was ist meine Aufgabe? Wie gestalte ich mein Begleiten wert- und sinnvoll?» – Ein weiterer Schritt war getan. Und neue Fragen folgten …
Antworten begannen sich durch die vertiefte Zusammenarbeit mit Marie-Claire Baumann herauszuschälen (wir kennen uns seit 1991 und sind seither schreibend und mit verschiedenen Projekten miteinander unterwegs). Sie stiess im Studium auf den Satz «Literatur ist Kommunikation.» und auf das postmoderne literarische Erzählmodell (LEM), in dem der Autor bzw. die Autorin lediglich eine Funktion im Text ist. Das Verweben ihrer Erkenntnisse aus dem Studium mit meinen Erkenntnissen rund um das Creative Writing führte zum Projekt «von tinte. lust. und einem geniestreich.», einem 20tägigen Seminar zur Förderung der Schreib- und Sprachkompetenz (das wir mehrfach durchführten) und zur Gründung des gemeinsamen Unternehmens «geniestreich».
Der Gedanke des fiktionalen Raumes mit seinem UR-Text, in dem alles möglich ist und der Blickwinkel, dass «der Text sich selber weiss», fand in mir nicht nur Resonanz im logotherapeutischen Ansatz: In den kommenden Jahren (die Fragen waren nicht weniger geworden …) begann ich mein Wissen über (künstlerisch) schöpferische Prozesse, meine eigenen Schreiberfahrungen sowie die Konzepte und Methoden des Creative Writing mit Erkenntnissen aus unterschiedlichsten Bereich zu verknüpfen. Dazu gehören Coachingansätze aus Symbolic Modelling und Clean Language, der Dialog nach David Bohm, die von der Oberfläche in die Tiefe führende Theorie U von C. Otto Scharmer (MIT) und andere quantentheoretische und philosophische Themen sowie eigene Körpererfahrungen aus dem Body-Mind-Centering, ergänzt durch Betrachtungen der Anatomie, der Embryologie und Informationen aus der Gehirnforschung.
Dieses stete Zusammenführen und Kombinieren hat mein «HandWerkzeug» fürs Anleiten und Begleiten geformt und wird es auch weiter formen. Im Unterwegssein mit meinen Fragen habe ich die mir eigene Form, Art und Weise gefunden, um dazu beizutragen, dass sich das in den Menschen innewohnende Potenzial zeigen kann. Entsprechend verstehe ich mich als «Hebamme für Potenzial». In all diesem Tun sind der achtsame Umgang mit Sprache und die Geste des Schreibens unerlässliche Denkwerkzeug.